Wer nicht kalibriert – verliert!

Kaum ein Kleinwagen rollt heute schon ohne Assistenten vom Band!

13. Juni 2017

Die Anforderungen steigen, die Liste für einen qualifizierten und nach Vorgaben des Automobilherstellers erledigten Windschutzscheibentausch wird merklich länger.

Die Ausnahmegenehmigung nach §8 HWO in der Tasche, die Anmietung einer kleinen Montage”örtlichkeit” und ein geringes Equipment – das waren die Voraussetzungen, um in den Achzigern, Neunzigern und 2000-er Jahre mit wenig Aufwand im Kfz-Glasgeschäft Geld zu verdienen.

Im Laufe der Jahre haben sich bis heute in etwa 1.500 Autoglasbetriebe in Deutschland niedergelassen. Darunter ist vom Ein-Mann-Betrieb bis hin zu ganzen Filialbetrieben, alles vertreten. Nun hätte das lukrative Geschäft mit dem Autoglas durchaus ewig so weiter gehen können, mischte da nicht seit vielen Jahren ein Marktteilnehmer mit, der mit relativ einfachen Marketing- und Kunden-Akquisemaßnahmen den Wettbewerbs-Wind auf dem Autoglasmarkt hat rauer wehen lassen. Ein Slogan – eingebrannt in die Köpfe der deutschen Autofahrer – gilt bis heute als Synonym für Autoglasreparaturbetrieb und ist die oftmals die erste Anlaufstelle für Kfz-Glasschäden, fragt man den Verbraucher und Steinschlaggeschädigten. Selbst Kinder wissen, wo’s langgeht, falls die Autoscheibe mal zu Bruch geht.

Nun war Know How und Kundenservice gefragt, um sich vom Wettbewerber abzuheben. Qualitätsarbeit und hochwertig verbaute Scheiben, sowie serviceorientierte Mitarbeiter gelten sowieso als Grundvoraussetzung, um sich im immer härter werdenden Wettbewerb um die Autoglasschäden einen Platz auf den vorderen Rängen zu ergattern.

Heute kämpft die Branche mit der Verteilung der Aufräge. Zum einen schleusen die Automobilhersteller die Glasschäden wieder in die eigenen Reihen zurück, zum anderen übernehmen Schadensteuerer und Versicherer die Lenkung der Glasschäden zu den Glaspartnern.



Werkstattketten und Reifenbetriebe sind inzwischen ebenfalls am lukrativen Glasgeschäft interessiert und nutzen ihren Vorteil der Glasreparatur oder des Scheibentauschs, wenn das Fahrzeug sowieso schon durch Räderwechsel oder Kundendienst in der Halle steht.

Nun ist die Verteilung der Aufträge für einen Hersteller konformen Windschutzscheibentausch mit allen notwendigen Vor- und Nacharbeiten die eine Sache.  

Doch ist das Glasgeschäft auch heute noch wirklich lukrativ?

Kaum ein Fahrzeug läuft heute bereits ohne Assistenten vom Band. Gerald-Alexander Beese vom KTI (Kraftfahrzeugechnisches Institut) bestätigt: „Bereits der VW Golf VII verfügt über 14 verschiedene Assistenzsysteme”. Diese werden von Sensoren angesteuert, was im Umkehrschluss bedeutet: wird die Windschutzscheibe eines Fahrzeugs mit Asistenz- und Kamerasystemen getauscht, sind zwingend Vor- und Nacharbeiten nötig. Zu einem vollständigen Frontscheibentausch gehört das Fehlerspeicher-Auslesen durch Diagnosesysteme als erste Arbeit mit dazu. Nur dies stellt einen Nachweis über die einwandfreie Funktionalität der Kamerasysteme vorher dar.

Nachdem die Frontscheibe dann fachgerecht getauscht wurde, benötigen solche Fahrzeuge zum Schluss noch eine Einstellung der Sensoren und/oder Kalibirerung der Kamerasysteme.

Hier wird unterschieden zwischen der sogenannten statischen oder dynamischen Kalibrierung. Dr. Wolf-Henning Hammer, Rechtsanwalt bei der ETL Kanzlei Voigt, Rechtsanwalts GmbH erklärt: „Während eventuelle Montagefehler z.B. bei Regensensoren eher unkritisch sind, können diese bei ungenauer oder gar unterlassener Kalibrierung der Kamerasysteme fatale Folgen nach sich ziehen. Hinzu komme der vermeidbare Betrugsvorwurf nach § 263 StGB, wenn die nicht durchgeführte Kalibrierungsfahrt berechnet wurde. Der Rechtsanwalt empfiehlt: „Die sicherste Methode derartige Probleme zu vermeiden ist es, die vorgeschriebene Kalibrierungsfahrt auch tatsächlich mit einem angeschlossenen Diagnosegerät mit der modellspezifischen Software durchzuführen und anschließend mit einem Protokollausdruck zu dokumentieren.“ Heute können diese Protokolle bereits dem Rechnungsvorgang mit angeheftet und auch digital mit versendet werden.

Doch die Einrichtung eines Kalibrierungs-Arbeitsplatzes und die Anschaffung solcher Geräte ist teuer und stellt nicht nur die alleinige Investition dar. Sowohl die Diagnosegeräte, als auch Kalibrierungstools benötigen nach der Erstanschaffung immer wieder Updates und neue Einstelltafeln, erzeugen also ständig Folgekosten. Leider werden die Zusatzarbeiten von Automobilherstellern relativ gering bewertet, so dass man von einer Amortisation der Anschaffung durch Zusatz-Arbeitswert-Positionen bei weitem nicht sprechen kann. Vielmehr scheint die Investition in vollausgestattete Kalibrierungs-Arbeitsplätze ein unvermeidbares MUSS zu sein!!



Wer auch in Zukunft auf dem Autoglasmarkt mit mischen möchte, für den wird es nun höchste Zeit, sich hierüber Gedanken machen!

Auf dem fünf-stufigen Weg zum autonomen Fahren, sind wir heute bereits in Stufe drei angekommen. Kalibrierung von Kamerasystemen nach einem Frontscheibentausch ist also quasi heute schon Alltag in den Betrieben!

Ist es das wirklich? Nicht wenige Betriebe halten die Anschaffung der vorgenannten Systeme immer noch für nicht notwendig. Bislang fahren sie noch zur Vertragswerkstatt nebenan und lassen dort die Fahrzeuge kalibrieren. Derzeit ist das auch noch möglich, doch aus Haftungsgründen könnte es durchaus sein, dass Vertragswerkstätten diese Arbeiten nur noch durchführen, sofern sie auch die Scheibe selbst getauscht haben. Auch seitens der Versicherer könnte dies eine weitere Voraussetzung für die Regulierung der Schäden werden.

Blicken wir noch ein wenig nach vorne, so wird ganz schnell klar, dass auch in Zukunft noch weitaus mehr auf uns zukommen wird:

Eine immer größere Rolle wird künftig auch die Steuerung von Licht, Radar und Achse spielen! „Als Beispiele seien die Steuerung von Matrixscheinwerfern oder Spurhalte- und Abstandserkennungssysteme genannt“, erklärt Dr. Wolf-Henning Hammer. „Die möglichen Folgen einer nachlässigen Montage reichen dann von der Blendung des Gegenverkehrs über Auffahrunfälle bis hin zum Verlassen der Fahrbahn. So führt z.B. eine Differenz von nur einem Grad bei der für den Spurhalteassistenten zuständigen Kamera auf 100 Meter Strecke zu einer Abweichung von fast 1,8 Metern. Das Risiko wird deutlich, wenn man bedenkt, dass ein mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h fahrendes Auto diese innerhalb von 2,4 Sekunden zurücklegt.“

Nun ist es ganz und gar nicht meine Absicht, worst case Szenarien zum besten zu geben oder die Branche noch mehr zu verunsichern. Ich möchte Sie gerne sensibilisieren, wach rütteln und zum Nachdenken bewegen, denn die Entwicklung halten wir nicht auf und:


Wer nicht kalibriert – verliert!

 

 

Martina Weller Redaktion autoglaser.de 13.06.2017

Bildquelle: BVA, pixabay, junited Autoglas Fuller
 

Autor: AUTO.net GLASinnovation
Quelle: AUTO.net GLASinnovation gmbh

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