E-/Hybridfahrzeuge: Sind die Assistenzsysteme im Winter genauso verlässlich?
Der Neue ist da und zunächst ist die Freude groß, denn ein E-/Hybridfahrzeug punktet in vielerlei Hinsicht, was die Technik und Bedienerfreundlichkeit sowie den Komfort anbetrifft.
Aber wie verhält sich das High-Tech-Fahrzeug im Winter? Sind die zahlreichen Vorzüge auch dann noch gewährleistet? Funktionieren alle Komponenten auch bei strengem Frost und im Falle von vereister Karosserie?
Auch unsere „Fachbetriebe Fahrzeugverglasung“ werden mit diesen Fragen konfrontiert und gut für den, der nicht nur den Scheibentausch mit der anschließenden Kalibrierung in der kalten Jahreszeit korrekt ausführt, sondern auch die wichtigen Details genau kennt, auf die insbesondere im Winter zu achten ist. Wir haben Spezialisten gefragt, die es wissen müssen und geben diese Infos gerne weiter: Jürgen Hofmann, Hella Gutmann Solutions GmbH und Martin Klein, ASC-Schulungs-Center standen Rede und Antwort zu folgenden Fragen:
Herr Hofmann, können Fahrerassistenzsysteme auch im strengen Winter kalibriert oder justiert werden?
Jürgen Hofmann:
Nur bei der dynamischen Kalibrierung kann es im Winter problematisch werden, denn, diese Kalibrierung findet während der Fahrt statt. Hierzu müssen die Leitlinien der Straße erkannt werden. Wenn Schnee liegt, ist dies leider nicht immer der Fall und kann dazu führen, dass das System länger braucht um die Kalibrierung durchzuführen.
Martin Klein:
Insbesondere, wenn Schnee und Eis die Straßen nach und nach verschmutzt und zudem die gefrierenden Schmutzpartikel die Sensoren verdecken, kann das Radarsystem nicht vollständig störungsfrei arbeiten.
Herr Klein, welche Fahrzeuge haben größere Probleme, wenn aufgrund eines langen Staus im Winter der Fahrzeuginnenraum konstant geheizt werden muss - der Verbrenner oder das E-/Hybridfahrzeug?
Martin Klein:
In diesem Punkt sollte man meinen, wären die E-/Hybridfahrzeuge anfälliger für eine erschöpfte Batterie, jedoch verfügen moderne Fahrzeuge über eine zusätzliche Vorheizfunktion in Form der Wärmepumpe, sodass die eigentliche Batterie gegenüber einem Verbrenner über mehr Kapazität verfügt und aufgrund seines vergleichsweise sparsamen Verbrauchs länger heizen kann, auch wenn E-Fahrzeuge im Winter für gewöhnlich mehr verbrauchen als im Sommer und auch mehr Zeit für den Ladevorgang der Batterie benötigen.
Die Sorge, liegenzubleiben und sich zu Fuß auf den Weg machen zu müssen, um eine Tankstelle zu erreichen, gibt es hingegen schon seit es Fahrzeuge auf den Straßen gibt. Schlussendlich muss der Fahrer im Vorhinein alle Vorkehrungen treffen, wenn er sich im Winter mit dem Fahrzeug auf den Weg macht. Wolldecke, Ersatzkanister, warme Getränke und Winterbekleidung trotz Fahrzeugkomfort können zudem nicht schaden. Würden alle Fahrzeughalter schon frühzeitig an Winterbereifung denken, könnte so mancher Stau vermieden werden.
Wir haben über die Fahrzeugbesitzer und deren Sorgen gesprochen, allerdings stellt sich die Frage, gibt es für die Fahrzeugverglaser im Winter besondere Anforderungen im Rahmen der Fahrzeugverglasung, die sie beachten sollten?
Martin Klein:
In der Tat, es ist darauf zu achten, ob die Fahrzeuge vollgetankt, beladen oder nicht beladen sind. Auch die Kalibrierung unter Tageslichtbedingungen ist wichtig - hier kann es im Winter zeitweise problematisch sein, weil die Tageslichtverhältnisse unzureichend sind, um eine saubere Kalibrierung durchzuführen. Unterschiede sind hier bei Fahrzeugen mit dynamischer Kalibrierung, wie z. B. bei Ford, Volvo und BMW zu erkennen. Das eine oder andere Fahrzeug zeigt hier Unterschiede in der Messgenauigkeit und liefert mehr oder weniger gute Ergebnisse.
Herr Hofmann, wie verhält es sich mit den Komponenten, die für den Scheibentausch zum Einsatz kommen - härtet der Scheibenkleber auch bei niedrigen Temperaturen problemlos aus?
Jürgen Hofmann:
Das Aushärten des Scheibenklebers ist bei 2-Kompenenten-Klebstoffen in der Regel nicht von der Außentemperatur abhängig. Viele verschiedene chemische Reaktionen sind für das Aushärten verantwortlich. Die feste Verbindung der Scheibe zur Fahrzeugkarosserie sowie die Festigkeit für das Auslösen eines Airbags sind auf diese Weise auch in Wintermonaten gewährleistet. Es kann jedoch sein, dass der ein oder andere Glasspezialist die Standzeit des Fahrzeuges etwas verlängert, rein aus Sicherheit.
Martin Klein:
Ergänzend wäre zu sagen, dass grundsätzlich nur sog. „Klebstoffsysteme“ verwendet werden sollten, d. h. die Mehrkomponentenkleber müssen aufeinander abgestimmt sein. Z. B. renommierte Hersteller, die unserem Verband als Fördermitglieder angeschlossen sind, bieten Klebstoffsysteme an. Unzulässig ist es, Produkte verschiedener Hersteller miteinander zu kombinieren, da jeder Hersteller eigene aufeinander abgestimmte Produkte entwickelt. Wichtig ist auch die Beachtung der Grenzwerte der monomere Diisocyanatbelastung, gemäß Reach-Verordnung im Hinblick auf die Verarbeitung und die Einhaltung der Arbeitssicherheitsstandards. Hier haben Hersteller bereits reagiert und Produkte entwickelt, die für die Anwender bei Beachtung aller Sicherheitsvorkehrungen unbedenklich sind.
Was sollte bei einem Steinschlag in den Wintermonaten beachtet werden?
Jürgen Hofmann:
Zu empfehlen wäre, den Steinschlag, so schnell wie nur möglich, mit einem Steinschlagpflaster abzukleben. So kommt kein Wasser in die Verletzung der Scheibe. Ebenfalls ist zu empfehlen, so schnell wie nur möglich den Glasspezialisten aufzusuchen, denn in den Wintermonaten wirken über die Heizung sehr unterschiedliche Temperaturen auf das Glas. Die unterschiedlichen Temperaturen können dazu führen, dass ein Sprung in der Scheibe schneller größer wird und dadurch die Frontscheibe, eventuell nicht mehr repariert, sondern ausgetauscht werden muss. Bitte denken Sie ebenfalls ans Spritzwasser. Frostschutzmittel mit Reinigungswirkung darf nicht vergessen werden. Nur so ist gewährleistet, dass Sie immer gute Sicht haben.
Vielen Dank Herr Hofmann und Herr Klein für das Interview!
Die Redaktion autoglaser.de
Quelle: bv autoglaser e.V. E-News Ausgabe Winter 2023